Heimische Arten im Portrait
Vielfalt entdecken
– Einladung, der Natur mit offenen Augen zu begegnen –
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Wer im Spätsommer durch Gärten, Hecken oder Waldsäume streift, läuft fast unweigerlich einem der kunstvollsten Gebilde der heimischen Tierwelt in die Quere – und mit etwas Pech direkt hindurch. Die Rede ist vom Radnetz der Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus), jener wohl bekanntesten Spinne Mitteleuropas, die zur Familie der Echten Radnetzspinnen (Araneidae) gehört. Ihr kugeliger Hinterleib ist meist bräunlich gefärbt und trägt ein helles, kreuzförmiges Muster – namensgebend und unverwechselbar. Dabei reicht das Farbspektrum von hellem Gelb über verschiedene Brauntöne bis hin zu fast schwarz.
Die Gartenkreuzspinne ist überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, kann aber auch tagsüber gut sichtbar in der Netzmitte verharren – besonders bei sonnigem Herbstwetter. Der Netzbau beginnt häufig in den frühen Abendstunden und nimmt meist 30 bis 60 Minuten in Anspruch. Jeden Tag wird ein neues Netz gebaut; das alte wird in den Morgenstunden verspeist, um die darin gebundenen Proteine zurückzugewinnen. Die Radnetze bestehen aus verschiedenen Seidentypen – stabile, nicht-klebrige Gerüstlinien bilden das Grundgerüst, während die spiralförmigen Fangfäden mit Klebetröpfchen besetzt sind und der Beutejagd dienen.
In der Mitte des Netzes wartet die Spinne oft regungslos auf Beute. Manche Tiere haben zusätzlich ein rückwärtiges Versteck – eine Blatttüte oder Mauerspalte –, das über einen Signalfaden mit dem Netz verbunden ist. Andere sitzen auch dauerhaft offen in der Netzmitte. Sobald sich ein Insekt im Netz verfängt und zappelt, eilt die Spinne heran, beißt zu und injiziert Verdauungsenzyme, die das Beutetier innerlich verflüssigen. Anschließend wird es mit Spinnenseide eingesponnen und entweder direkt verzehrt oder als Vorrat zwischengelagert. Auf ihrem Speiseplan stehen vor allem fliegende Insekten wie [/wikilink]Fliegen[/wikilink], Mücken, Käfer und kleinere Schmetterlinge – gelegentlich aber auch größere Beutetiere wie Wespen, Hummeln oder sogar Hornissen.
Im Spätsommer beginnt die Paarungszeit. Die deutlich kleineren Männchen nähern sich den Weibchen mit großer Vorsicht – nicht zu Unrecht, denn das riskante Unterfangen endet für sie nicht selten tödlich. Nach erfolgreicher Begattung fertigt das Weibchen im Herbst mehrere Kokons an, von denen jeder 40 bis 200 Eier enthält. Diese werden gut versteckt an geschützten Stellen wie in Ritzen, unter Laub oder in der Borke befestigt. Die Eier überwintern in diesen Kokons, während die Elterntiere den Winter nicht überleben.
Von Mai bis Oktober lassen sich die Tiere besonders gut beobachten. In dieser Zeit durchlaufen sie mehrere Häutungen, bis sie im Spätsommer ihre adulte Form erreichen. In der Regel dauert die Entwicklung bis zur Geschlechtsreife zwei Jahre; die meisten Tiere überwintern als Jungspinnen und reifen erst im zweiten Jahr vollständig aus.
Trotz ihrer imposanten Erscheinung ist die Gartenkreuzspinne für den Menschen völlig harmlos. Ein Biss erfolgt nur in äußersten Ausnahmesituationen – etwa beim Einquetschen – und ist in der Wirkung mit einem leichten Mückenstich vergleichbar.
Araneus diadematus gehört zur Familie der Echten Radnetzspinnen (Araneidae), einer weltweit verbreiteten Gruppe innerhalb der Ordnung der Webspinnen (Araneae). Charakteristisch ist für viele Vertreter dieser Familie der Bau regelmäßig strukturierter Radnetze – filigrane Kunstwerke der Natur, die dem Beutefang dienen. Allerdings: Nicht alle Araneidae bauen perfekte Radnetze. Einige spezialisierte Vertreter – etwa Bolaspinnen oder Sektorspinnen – haben abweichende Netzformen entwickelt oder verzichten ganz auf den klassischen Netzbau.
Auch jenseits der Araneidae zeigt sich die Spinnenordnung als außerordentlich vielgestaltig. Einige ausgewählte heimische Arten geben einen Eindruck dieser Vielfalt – und sind zudem mit eigenen Fotografien dokumentiert:
Diese Vertreterin der Familie Krabbenspinnen (Thomisidae) baut kein Netz, sondern lauert gut getarnt im Laub oder auf Blüten auf ihre Beute. Ihre Fortbewegung – auch seitwärts – erinnert an Krabben und ist für die ganze Familie namensgebend. Xysticus kochi bevorzugt lichte Waldränder, Wiesen und Böschungen und ist ein typischer Vertreter dieser anpassungsfähigen Spinnengruppe.
Ebenfalls zu den Thomisidae gehörend, ist Xysticus cristatus in ihrer Erscheinung sehr variabel – meist in Brauntönen, mit markanter Zeichnung auf dem Hinterleib. Sie ist anspruchslos hinsichtlich ihres Lebensraums und auch in Gärten, auf Brachflächen und sogar in städtischer Umgebung zu finden. Ihre Jagdmethode ist ein blitzartiger Überraschungsangriff auf ahnungslose Insekten.
Diese langbeinige Bewohnerin menschlicher Behausungen gehört zur Familie Pholcidae. Sie errichtet lockere, unregelmäßige Netze in Zimmerecken, Kellern oder Schuppen. Bei Störung beginnt sie heftig zu vibrieren – ein Verhalten, das potenzielle Fressfeinde irritieren soll. Ihre Gestalt mit den spinnenbeinartig überlangen Extremitäten hat ihr im Englischen auch den Spitznamen „Hausdaddy Longlegs“ eingebracht.
Meta menardi zählt zur Familie Tetragnathidae, den Kieferspinnen, und lebt in dunklen, feuchten Lebensräumen wie Höhlen, Stollen oder Kellerschächten. Dort spinnt sie große Netze, die meist eine rudimentäre Radstruktur mit offener Nabe aufweisen. Anders als bei Araneus diadematus dienen sie nur selten dem aktiven Beutefang – die Spinne verlässt sich hier eher auf ihre gute Tarnung und die natürliche Dunkelheit ihrer Umgebung.
Die leuchtend grün gefärbte Araniella cucurbitina ist eine enge Verwandte der Gartenkreuzspinne und gehört ebenfalls zur Familie Araneidae. Ihre zarten Radnetze spannt sie in niedriger Vegetation oder zwischen Sträuchern auf. Auffällig ist ein kleiner rötlicher Punkt am Hinterleibsende – ein farblicher Kontrast zur intensiven Grünfärbung, die sie perfekt im Blattwerk tarnt.
Ob krabbenartig getarnt, zitternd vibrierend oder kunstvoll netzbauend – die heimischen Spinnen zeigen eine erstaunliche Bandbreite in Körperform, Lebensweise und Jagdtechnik. Araneus diadematus steht dabei exemplarisch für eine faszinierende Ordnung, deren Mitglieder eines gemeinsam haben: Sie alle nutzen Seide – sei es zur Jagd, zur Tarnung, zur Fortpflanzung oder schlicht als Sicherheitsleine. Es sind Fäden, die im wahrsten Sinne des Wortes ihre Welt zusammenhalten.
Die Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) ist in weiten Teilen Europas heimisch und zählt in Mitteleuropa zu den häufigsten und auffälligsten Radnetzspinnen. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet reicht von Großbritannien über Europa und den Nahen Osten bis nach Zentralasien und Japan. Darüber hinaus wurde die Art auch in Nordamerika eingeschleppt, wo sie sich vor allem im nördlichen Teil der USA und Kanadas, von Neuengland bis zur Pazifikküste, erfolgreich etabliert hat.
Als äußerst anpassungsfähige Art besiedelt Araneus diadematus eine große Bandbreite an Lebensräumen. Ihre einzige Voraussetzung ist das Vorhandensein geeigneter Strukturen für den Netzbau. Diese findet sie in Wäldern, Waldrändern, Hecken, Gärten, Parks, Ödland, Heideflächen, Straßenrändern und gelegentlich sogar an Gebäuden oder Mauern. Das Radnetz wird bevorzugt in einer Höhe zwischen 1,5 und 2,5 Metern zwischen Zweigen, Grashalmen oder baulichen Strukturen aufgespannt. Vollkommen gehölzfreie Landschaften meidet die Art jedoch.
Ihr Lebensraum lässt sich nur schwer einheitlich charakterisieren – zu groß ist die ökologische Bandbreite. Diese Flexibilität trägt maßgeblich zu ihrer weiten Verbreitung bei. Besonders häufig begegnet man den Tieren im Spätsommer und Frühherbst, wenn die Weibchen ausgewachsen sind und ihre großen Radnetze in gut sichtbaren Bereichen errichten. Die Netze erreichen Durchmesser von bis zu 40 bis 50 cm und weisen meist über 30 Radien auf. Anders als bei vielen anderen Spinnenarten sitzt das Tier häufig offen in der Nabe – der Mitte des Netzes – und ist dadurch leicht zu beobachten.
Trotz ihrer weiten Verbreitung und hohen Sichtbarkeit ist die Gartenkreuzspinne nicht gefährdet. Im Gegenteil: In siedlungsnahen Lebensräumen wie Gärten und Parks findet sie oft ideale Bedingungen vor. Gleichwohl ist ihr langfristiger Bestand – wie der vieler Spinnenarten – mittelbar vom Zustand ihrer Lebensräume abhängig. Die Versiegelung von Flächen, intensive landwirtschaftliche Nutzung und der Verlust von strukturreichen Übergangszonen setzen auch robusten Arten zu.
Ein besonderer Schutzstatus besteht für Araneus diadematus in Deutschland nicht – sie gilt als ungefährdet. Doch wie viele andere heimische Arten profitiert sie von einem naturfreundlichen Umgang mit Gärten und Grünflächen: Wildblumen, heimische Sträucher, Totholz und der Verzicht auf Pestizide schaffen ein Umfeld, in dem sich nicht nur Spinnen wohlfühlen – sondern das ganze Ökosystem.
Gartenkreuzspinne – Araneus diadematus
Erfundene Schnirkelhenne
Menden (Sauerland) / Asbeck
10.08.2010